27. & 28. Mai / Russland / Baikalsee

 

27. Mai / Manch einmal freut man sich auf das Falsche

 

Als ich in Irkutsk mit dem Zug ankam, beim Abendessen mit Konstantin von meiner Tour schwärmte, da war ich froh endlich wieder aufs Rad steigen zu können.

Mit Sicherheit habe ich die zehn Tage mit Annett genossen, und die Zugfahrt war auf jeden Fall ein Erlebnis. Alleine die vielen Menschen die mir geholfen haben und die Möglichkeiten ein Rad mit an den Baikal zu nehmen in der Transsib auszuteste.

Alles super, aber wenn man bedenkt, dass ich seit meiner Reha-Zeit fast jeden Tag mit dem Rad unterwegs bin, dann war ich jetzt schon kribbelig.

Konstantien ist ein toller Typ und weil er mich noch verabschieden wollte, aber schon um 08:00 Uhr los musste bin ich früher aufgestanden. Wir trafen uns noch mal vor dem Hotel. Unglaublich, wir redeten und redeten. Wir kramten gelernte Wörter aus der Schulzeit aus. Ich muss sagen, er war viel besser als ich. Tja auch ohne Dolmetscherin ging es....

Los bin ich dann erst um 09:30 Uhr, anfangs noch im trockenen, das änderte sich ziemlich schnell und als ich nach drei Stunden dachte, dass das nie aufhören wird kamen auch noch die Berge.

Regensachen und Berge, das verträgt sich prima. Du ziehst dir unter dem Regenzeug so wenig an wie möglich um nicht im eigenen Saft zu braten. Und wenn du dann mal einen Stopp machst weil es einfach die schwindenden Kräfte verlangen, dann frierst du nach drei Minuten. Grausam....

Zum Glück hörte der Regen sehr bald auf, das Wetter blieb wohl in den Bergen hängen. Naja, die haben auch schon ihre Höhe, 800, 1000, 1200 Meter, da müssten sich die schweren Regenwolken echt Mühe geben einfach drüber zu gehen.

Die Steigungen sind mörderisch, du siehst ein Schild da stehen ¨harmlose¨ acht Prozent drauf und darunter ein Zusatz, dass es 600 Meter so geht. Dass es aber danach nicht vorbei ist, dass weißt du erst wenn du mit deinem Arsch voll drin hängst. 

Gegen halb acht habe ich mir was zum Schlafen gesucht, da musst du hier echt früh anfangen. Es kann dir passieren, dass du 90 Minuten suchst bis du in den Wald rein kommst. Er ist so dicht, dass du keine Chance hast dich zu verstecken. 

Es hat wieder über eine Stunde gedauert bis ich eine Ecke fand wo die Bäume nicht so dicht standen. Nun war das Problem noch eine Stelle zu finden wo der Boden einigermaßen eben war. Na irgendwann habe ich aufgegeben und die beste schlechte Stelle genommen. Es wurde langsam dunkel und echt kalt. Die Temperaturen gehen locker 15 Grad runter. Bei 18 Grad am Tage brauchst du schon Sachen zum Schlafen gehen. 

Handtuch um die Füsse, mit Socken kann ich nun gar nicht schlafen und schon war ich weg, hundemüde.

Ich muss mein Buch überarbeiten, der Lektor hat es mir gesendet. Ein Drittel habe ich schon. Eigentlich wollte ich jeden Tag wenigstens ein Kapitel schaffen. 

Ich schaffe gerade nicht einmal das was ich an Kilometern schaffen will. 

Hätte ich gewusst was hier auf mich zukommt wäre ich bestimmt nicht so heiß gewesen.....

 


28. Mai / Jetzt wo ich durch bin, weiß ich wieder, es war das Richtige
 
 
Poh, um 8:30 Uhr bin ich wach geworden, über das Einpacken um mich vor der Kälte zu schützen bin ich eingeschlafen und habe den Wecker nicht gestellt. 
Tja, und bis ich dann wirklich im Sattel saß verging die Zeit einfach so. Ich wollte nicht so richtig los, ich wusste was mich erwartet. Das letzte Schild was ich gestern gesehen habe bevor ich das Waldstück entdeckte, wo die Bäume etwas lichter standen, war ein Schild mit 10 Prozent Steigung. Das war aber schon wieder so eine Stelle wo es auch davor nur hoch ging. 
Ich habe hier unglaubliche Sachen gesehen: Ich habe mal wieder geschoben, um einen Berg zu erklimmen, da fuhr ein LKW an mir vorbei, der so klang als ob er echt zu tun hat. Vielleicht 70 Meter weiter war Schluss, er kam nicht weiter, na den Auflieger hatten sie ihm ordentlich voll gemacht. 
Jetzt fragte ich mich was der machen will, er fuhr rückwärts wieder runter, nur gut, dass hier zwei Spuren waren. 
 
Er hat es am Ende doch geschafft. Bei zwei vergeblichen Versuchen konnte ich ihn noch beobachten, immer etwas weiter oben. Er rollte zurück und holte Schwung. Irgendwann habe ich ihn dann oben auf dem Berg gesehen, er machte Pause, die hatte er sich verdient. 
Ich überlegte auch erst was im Restaurant zu essen, ich hatte von der ganzen Schieberei keinen Hunger mehr, das würde mich nur noch mehr belasten.
 
Naja, ich habe heute bestimmt bei den Aufstiegen mehr geschoben als dass ich gefahren bin, meine Beine wollten einfach nicht. 
 
Als ich mit Steffen in Berlin über die Berge sprach, da war mir schon klar, dass das nicht leicht wird, aber dass die Steigungen so ätzend steil und lang sind hätte ich nicht gedacht. Dazu kommt wohl das das Rad schwerer ist als bei allen anderen Touren und ich ja nun schon 50 bin.
 
Irgendwann ging es dann mal wieder runter und ich dachte ich habe es geschafft und war so glücklich, nichts ist, es war der vorletzte Berg. Ich hasse es wenn es runter geht und du nicht weißt ob es der letzte Berg ist, denn nach jeder Abfahrt muss du auch wieder hoch. Ich hoffe es geht nicht zu weit runter.
Dieses Mal war es noch schlimmer, ich dachte jetzt geht es nur noch den Berg runter bis zum Baikal.
Es ging wieder hoch und richtig, 11 % und immer weiter und weiter. Alle paar Meter machte ich Halt.
 
Nach diesem üblen Aufstieg ging es nur noch runter, ich würde sagen gut 10 Kilometer. Ich lies den Junior laufen, ich überholte LKWs die Mühe hatten langsam zu fahren damit ihre Bremsen nicht anfangen zu glühen und wenn alles frei war dann gab es Ideallinie.
Trotz aller Tricks gab es nur 63 km/h. Irgendwann knacke ich die 70, nur noch 0.20 km/h fehlen . 69,80 habe ich in Japan geschafft, das ist das nächste Land. Hehe
 
Bei meiner coolen Abfahrt funktionierte auf einmal der Tacho nicht mehr. Ich stoppte bei erster Gelegenheit, ich wollte es genau dokumentiert haben, nicht dass ich meinen Rekord verpasse.
Der kleine Geber der an den Speichen fest ist, wurde durch die hohe Fliehkraft nach außen gebracht und hat dem Sender keine Informationen mehr geliefert. 
 
Nun endlich sah ich den See. All mein Fluchen und Verdammen war einfach weg, stoppen, in die Runde schauen, stolz auf das wieder einmal geschaffte sein, und Bilder machen. Das letzte Stück ging im Zickzack, da war kein Rekord mehr zu holen.
 
Ab ins Hotel, ich will länger Zeit haben zum schlafen, Zelt auf-und abbauen koste Zeit die ich nach diesen 110 km Berge ohne Hirn nicht investieren möchte....
 

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Kommentar von Hannelore Kempe |

https://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article145170022/Droht-dem-Baikalsee-in-Sibirien-der-baldige-Tod.html

Wunderschöne Fotos und Berichte. Bemerkt man irgendwas ob es mit dem Baikalsee schlecht steht?All die schlechten Nachrichten wie wir die Natur zerstören machen mich immer sehr nachdenklich. Für die weitere Tour wünsch ich eine leichtere Strecke. Tschüß und alles Gute

Antwort von Sven Marx

Ich kann hier echt nichts sehen. Und wenn man mal nach Italien ans Mittelmeer geht ist es nicht besser. Die leiten ihre ganzen Abwässer ein.

Egal wo, dem Menschen ist nicht bewusst wie wichtig der Lebensraum Wasser für uns ist.... 

Was ist die Summe aus 1 und 5?

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